NRW: Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft beschließt den Kollaps der Freien Theaterszene
Dringender Appell zur Fortsetzung der mehrjährigen Förderprogramme für freie Theater- und
Tanzgruppen
Nach monatelanger Verzögerung hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW eine
Entscheidung über die mehrjährigen Förderprogramme für die Freien Darstellenden Künste getroffen.
Sie bedeutet für die Freie Szene einen drastischen Strukturabbau, der erhebliche Risiken für zahlreiche
Theatergruppen in sich birgt.
Die Spitzen- und Exzellenzförderung Theater soll um knapp die Hälfte gekürzt und – abweichend von
der bisherigen Praxis – nicht im November 2024, sondern erst im Verlauf des Jahres 2025 neu
ausgeschrieben werden. Die laufenden Förderungen enden bereits im Juni 2025 – ein gefährlicher
Bruch in einer über 13 Jahre gewachsenen Förderarchitektur, der eine Vielzahl profilierter
Künstler*innen und Netzwerke in existenzielle Bedrängnis bringt. Die für die exzellenzgeförderten
Gruppen in Aussicht gestellte Übernahme in eine Institutionelle Förderung ist kein Thema mehr.
Die Spitzenförderungen Kinder- und Jugendtheater wird komplett eingestellt. Die bisherige
Fördersumme wird um 50 % gekürzt. Die halbierte Summe wird nochmal paritätisch geteilt und vier,
anstelle der sechs derzeit geförderten Gruppen, sollen eine Dauerförderung des Landes erhalten und
die andere Hälfte soll in institutionalisierte Häuser für Kinder und Jugendtheater gehen. Jedoch ohne
erneute öffentliche Ausschreibung und Fachjury-Entscheidung und mit einhergehenden Kürzungen
der Fördersumme im Vergleich zur Spitzenförderung in Höhe von insgesamt 75 Prozent.
Über die Zukunft der mehrjährigen Konzeptions- und Tanzförderungen macht das Ministerium derzeit
keine Angaben.
Die Mehrjahres-Förderungen sichern aktuell die Arbeit von 641 professionellen Theater- und
Tanzgruppen in NRW. Sie ermöglichen stabile Arbeitsbedingungen, künstlerische Qualität und
kontinuierliche Entwicklung – und gelten seit über einem Jahrzehnt bundesweit als Modell
nachhaltiger Kulturförderung, sozialer Absicherung und struktureller Stärkung der Freien Szene.
Das Ministerium ist Fragen nach Entscheidungsgrundlagen, Kriterien oder Folgenabschätzungen
schuldig geblieben. Eine erkennbare kulturpolitische Strategie bleibt aus. Vielmehr scheint die
politische Praxis im Widerspruch zu öffentlichen Bekenntnissen gegenüber der Freien Szene zu stehen.
Ob im Vorfeld der Entscheidungsfindung Fach-Expertisen einbezogen oder strukturelle Auswirkungen
analysiert wurden, bleibt ebenso offen wie die grundsätzliche Haltung des Ministeriums zur Zukunft
der Freien Szene. Wie die Mittel aus dem sogar leicht gewachsenen Haushaltstitel für die Freien
Darstellenden Künste für 2025 konkret verwendet werden, wurde seitens des Ministeriums nicht
beantwortet.
Gerade in einer gesellschaftlich angespannten Zeit ist es unerlässlich, dass die Landesregierung
kulturelle Vielfalt schützt, nicht gefährdet, und diesbezüglich handelt, anstatt sich zurückzuziehen.
Unsere Forderungen an das Ministerium für KULTUR und Wissenschaft des Landes NRW lauten:
1 64 Gruppen bedeutet: 3 Gruppen Exzellenzförderung Theater, 8 Gruppen Spitzenförderung Theater, 6
Gruppen Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater, 4 Gruppen Exzellenzförderung Tanz, 8 Gruppen
Spitzenförderung Tanz, 35 Gruppen Konzeptionsförderung
Ausschuss für Kultur und Medien. Danach sprachlos… denn die teils widersprüchlichen Erläuterungen und als Handlungsbegründungen gemeinten Äußerungen der Ministerin Ina Brandes zeigten, dass sie weder sieht noch im Blick haben will, welchen Flurschaden sie auszulösen bereit ist noch dass sie zugibt, dass ihre Form der Kommunikation mit „der Szene“ und auch die hier zum Ausdruck kommende Haltung der Kritik unterzogen werden dürfen. Einfach gesagt: wie sie mit Kultur und Kulturschaffenden umgeht, ist ein Beispiel von Abgehobenheit, Angst vor Begegnung und letztlich Unterschätzung des Wesens und der Bedeutung von „freier Kultur“ und hier insbesondere dem Theater für junges Publikum! Staunt selbst: https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html…
Einerseits behauptet die Ministerin, dass ihre Einsparungsbeschlüsse nichts zu tun haben mit der Haushaltsplanung 2026 andererseits appelliert sie an Vernunft und Einsicht, dass angesicht der (drohenden) Rezession schon mal eingespart werden müsse… weil eben noch weitere empfindliche Einschnitte folgen werden müssten. Substantiiert hat sie das nicht. Auch auf Nachfrage von Andreas Bialas, der die Ansicht vertrat, der Haushalt sei auf Grund von Mehreinnahmen gewachsen, blieb sie eine Antwort schuldig und wischte das als Oppsitionsrhetorik vom Tisch. Die Ministerin war der Ansicht, die Kommunikation mit „der freien Szene“ wäre in ausreichendem Maße und auch zeitlich angemessen geführt worden. Yvonne Gebauer wies völlig zurecht daraufhin, dass die Betroffenen einer monatelangen Ungewissheit ausgesetzt worden seien und der völligen Unmöglichkeit an Informationen zu gelangen geschweige denn mit dem Ministerium zu kommunizieren. Dem stand entgegen, dass Frau Brandes von „indirekten Wegen der Kommunikation“ sprach und es dabei völlig versäumte auch nur ein Wort des Bedauerns auszusprechen, so wie „es tut mit leid, dass der Eindruck entstanden ist, mir und dem Ministerium wäre es nicht wichtig mit der freien Szene zu sprechen“. Aber das hat sie nicht. Sie sagte mit Unterton, dass es eben Geförderte gäbe, die sich nach 6 Jahren Förderung eben „daran gewöhnt hätten“. Und das sagte sie als ob sie über verwöhnte Kinder reden würde. Die ministeriale Erklärerin Heike Wermer, die kontrafaktisch am 19.12.24 auf ihrer page schreibt „Ihre Forderung nach Freischaltung der Antragsportale hat sich mittlerweile erledigt.“ versuchte in Wachhundposition, berechtigte Zweifel an der Angemessenheit und Zwangsläufigkeit des Handelns der Ministerin rhetorisch zu bekämpfen.
Was in alldem nicht thematisiert wurde, dass die haarsträubenden Umverteilungen (7,3% Aufwuchs für freie Häuser, die aber aus Mitteln für vormals geförderte Gruppen kommen) den Effekt von Gegeneinander-Ausspielen haben. Und es wurde auch kein Wort über die Mindesthonoraruntergrenzen gesagt, die künftig verminderte Förderungen noch weiter vermindern. Mit der Übergangslösung 4/12 der bisherigen Jahresförderung an die bis heute von Kürzung oder Streichung Bedrohten zu zahlen, bis wir dann am 1.11.25 eine Neubeantragungsmöglichkeit haben, schienen alle Bedenken zerstreut zu sein für Frau Brandes, denn das sieht sie als großes Entgegenkommen an.
Die Un/Verhältnismäßigkeit, die wie ein Elefant im Raum steht, ist die absurde Schlussfolgerung in der Logik von Frau Brandes: weil wir in eine Rezession kommen, muss am unteren Ende der Kulturförderung das Rasiermesser angesetzt werden, da wir dadurch ja enorm einsparen. Ironie off.
Ich könnte jetzt hier noch lange weitermachen, aber schaut einfach den Link, bevor das Land den sperrt.